Verschwörungen im Wandel der Zeit

Was steckt hinter dem Phänomen der Verschwörungen und wie kann dem begegnet werden?

Einleitung

Sie verbreiten sich schnell und auf unterschiedlichsten Wegen, wandeln sich, bleiben im Kern dennoch gleich und führen zu gesellschaftlichem Unwohlsein. Gemeint ist keine globale Viruskrankheit, sondern Verschwörungserzählungen, die im Zuge der Corona-Pandemie allerdings wieder prominent auf der öffentlichen Bildfläche erschienen sind. So wurden angebliche Eliten identifiziert, die ihren Nutzen aus der Pandemie zögen, die Regierung der Bevölkerungsmanipulation bezichtigt und Impfstoffen Inhaltsstoffe zugeschrieben, die den Interessen ebenjener Eliten nutzen würden.

Verschwörungserzählungen sind jedoch kein neues Phänomen; sie kursieren seit jeher innerhalb einer jeden Gesellschaft. Unter dem Begriff „Verschwörungserzählung“ ist die Annahme zu verstehen, dass als mächtig wahrgenommene Einzelpersonen oder Gruppen (wichtige) Ereignisse in der Welt beeinflussen oder herbeiführen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen und durchzusetzen – wobei sie gegebenenfalls der Bevölkerung schaden und diese vor allem darüber nicht informieren und im Dunkeln lassen.[1]

Verschwörungserzählungen bieten einfache Erklärungen für komplexe Sachverhalte und lassen die Welt beherrschbar erscheinen. Sie verstärken ein bestimmtes Feindbild und dienen der Manipulation, arbeiten mit Stereotypen und erzeugen mitunter das Gefühl einer Gruppenhomogenität zwischen jenen, die diese Erzählungen miteinander teilen. Sie können als Radikalisierungsbeschleuniger wirken und die Gesellschaft spalten, Vorurteile schüren und weiterverbreiten.[2]Verschwörungserzählungen stellen somit eine ernst zu nehmende Gefahr für die Demokratie und das demokratische gesellschaftliche Zusammenleben dar. Mitunter können sie zwar harmlos daherkommen, wie etwa die Erzählung, dass die Stadt Bielefeld nicht existiere; nicht selten zeitigen sie aber manifeste politische Folgen, wie zum Beispiel die falschen Erzählungen über Hillary Clinton im US-Wahlkampf 2016, die den Wahlausgang beeinflussten. Sie verursachen zudem gesellschaftlichen Schaden, denn ihnen wohnen Diskriminierung, Rassismus, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Antisemitismus inne, wie etwa Erzählungen über eine angebliche jüdische Weltverschwörung. Sie marginalisieren, gefährden und diskriminieren somit Personen bzw. Gruppen innerhalb der demokratischen Gesellschaft.

Die Funktion von Verschwörungserzählungen

Für dieses Phänomen gibt es verschiedene Bezeichnungen. Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist mittlerweile umstritten, da „Theorien“ wissenschaftlich konnotiert sind. Eine Theorie basiert auf wissenschaftlichen Annahmen, um eine oder mehrere Tatsachen zu erklären. Erweist sich die Annahme als falsch, wird auch die Theorie verworfen. Doch genau dies geschieht bei dem hier angesprochenen Phänomen nicht. Die begrifflichen Alternativen, die von Verschwörungsmythos über -ideologie bis hin zu -erzählung reichen, unterscheiden sich in Nuancen ihrem Inhalt nach. Der gesellschaftlich verankerte Mythos ist meist mit einer übergeordneten und abstrakten Erzählung verknüpft und wird oftmals genutzt, um mehrere Verschwörungserzählungen zu vereinen. Der Begriff Ideologie hingegen beschreibt ein generelles Weltbild, das Vorurteile gegenüber bestimmten Personengruppen beinhaltet. Die Erzählung wiederum geht stärker ins Detail und benennt dabei konkrete Dinge, die in der Welt und Gesellschaft vermeintlich geschehen.[3] Manchmal fußt eine solche Erzählung auf wahren Begebenheiten, welche dann durch frei erfundene Details und Bezüge ergänzt werden. Mittlerweile wird dieser Begriff der Verschwörungserzählung vermehrt genutzt, da er auf sprachlicher Ebene zugänglicher sowie inhaltlich allumfassender als die weiteren Begriffe ist und somit für den Alltag praktikabler erscheint.

Die Verbreitung von Verschwörungserzählungen

Die Kernelemente der Erzählungen – häufig Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit – bleiben meist gleich, sind aber jeweils historisch und kulturell eingebettet. Was einst der Keller einer alten Dorfschänke war, kommt heute als Keller einer Pizzeria daher. So haben sich die Verschwörungserzählungen an sich gar nicht sonderlich verändert, nur die Form ihrer Verbreitung hat sich gewandelt. Mussten sie früher noch von Ort zu Ort per pedes überbracht und tradiert werden, verkürzten bereits Medien wie Zeitungen, Zeitschriften oder Magazine diesen Weg und sorgten für eine immer weitere Verbreitung. Besonders sensationelle Meldungen verzeichneten einen hohen Absatz – zum Beispiel die 1934 in der New York Sun erschienene Meldung, dass Fledermausmenschen auf dem Mond lebten, welche gar einen wissenschaftlichen Anschein erweckte.[4] Das Internet und die Sozialen Medien wirkten sodann wie ein Booster auf die Verbreitung,[5] denn im digitalen Raum findet kaum eine Überprüfung des Wahrheitsgehalts der getätigten Aussagen mehr statt, wie es bei den klassischen Medien noch Journalist_innen bzw. Redaktionen praktiziert hatten; etwaige Behauptungen lassen sich zudem enorm schnell übermitteln. Eine Verschwörungserzählung birgt hier das Potenzial, unwidersprochen und unwiderlegt Millionen von Menschen zu erreichen. Sie hier wieder einzufangen und zu widerlegen, scheint kaum möglich. Wer vermehrt Online-Medien konsumiert, ist somit auch vermehrt Verschwörungserzählungen ausgesetzt, die über unterschiedliche digitale Kanäle verbreitet werden.

Verschwörungserzählungen: Kernelemente und Auswirkungen

Deutlich wird: Verschwörungserzählungen hängen immer mit Erzählungen innerhalb der Gesellschaft zusammen, entstehen sie doch im Austausch zwischen Personen über gesellschaftliche und politische Vorgänge oder andere Personen bzw. Gruppen. Immer dann, wenn (zunächst) unerklärliche Dinge auftauchen oder Geschehnisse abseits des eigenen Einflussbereiches liegen, können Verschwörungserzählungen entstehen. In ihnen schwingt stets der Zweifel an offiziellen Versionen oder wissenschaftlichen Berichten mit.[6]

Verschwörungserzählungen zu erkennen, ist nicht immer ganz leicht – so können schon feine begriffliche Nuancen genügen, um beispielsweise rassistische Stereotype zu reproduzieren; und dies zu registrieren, setzt sprachliche Sensibilität voraus. Zudem bedarf es des historischen Wissens sowie der Expertise zum jeweiligen Thema, um falsche Erzählungen zu identifizieren, sowie einer ausgeprägten Medienkompetenz, um Quellen adäquat einzuordnen.[7]
 

Erkennen und Handeln

Ist die Verschwörungserzählung einmal identifiziert, stellt sich die Frage, wie ihr begegnet werden kann – und dies ist wiederum immer vom Kontext abhängig. Am Abendbrottisch auf eine Verschwörungserzählung zu reagieren, mag schwerer fallen, als in sozialen Netzwerken zu kontern.

Immer wieder zeigt sich, dass weder die Identifikation von Verschwörungserzählungen noch die Reaktion auf solche Behauptungen ein einfaches Unterfangen ist. Auch die Frage, welchen gesellschaftlichen Einfluss diese Erzählungen ausüben, lässt sich meist nicht ad hoc beantworten. Für ein demokratisches Zusammenleben sind diese Kompetenzen aber sehr wichtig. Genau an dieser Stelle soll der hier angebotene Workshop ansetzen und sowohl Wissen über Verschwörungserzählungen als auch Reaktionsmöglichkeiten vermitteln.

Workshop-Konzept

Ziel des Workshops ist es, den Teilnehmer_innen Hintergrund, Aufbau und Funktionsweise von Verschwörungserzählungen zu vermitteln. Nach einem kurzen Warm-up und thematischer Aktivierung der Teilnehmer_innen wird mit einem Theorieblock gestartet, der den Teilnehmer_innen grundlegendes Wissen vermittelt, über das sie sich anschließend austauschen. Durch weiteren thematischen Input und strukturierter Gruppenarbeit entwickeln die Teilnehmer_innen gemeinsam Strategien für den Umgang mit Verschwörungserzählungen. In der anschließenden Vorstellung der Ergebnisse diskutieren die Teilnehmenden das Erarbeitete. Als Ergebnis des Workshops können die Teilnehmenden Verschwörungserzählungen im Beruf, im Alltag, bei Freund_innen oder in der Familie, im digitalen sowie im analogen Raum gestärkt begegnen.

Durchführungshinweise

Dauer:
2–2,5 Stunden
Gruppengröße:
10–30 Teilnehmende
Altersgruppen:
Ab ca. 14 Jahren
Vorbereitung:
Zur ausführlichen Vorbereitung bedarf es ca. 2 Stunden Einarbeitung in den Ablauf, die Materialien und die Tools. Die Einarbeitungszeit ins Thema hängt vom Vorwissen der Moderation ab. 
Varianten:
Präsenz-Workshop: Diese Variante ist vermutlich die am häufigsten gewählte. Hier kommen Multiplikator_in und Teilnehmer_innen in einem Raum zusammen und arbeiten in einem klassischen Workshopformat, welches jedoch durchaus von digitalen Tools gestützt werden kann.
Digitaler Workshop: Es ist auch eine ortsunabhängige, rein digitale Durchführung mittels Webinar- oder Webkonferenz-Software möglich. Hinweise zur digitalen Umsetzung, den damit verbundenen Herausforderungen und geeigneten Tools enthält der Service-Bereich. Der Ablaufplan orientiert sich im Folgenden an einer Durchführung als Präsenz-Workshop.

Workshopmaterialien

Ausstattung & Material

Der Workshop kann je nach Interesse, Vorkenntnis des_der Multiplikator_in und der Teilnehmer_innen sowie Zielsetzung eher klassisch in analoger Form oder digital mit Online-Tools (z. B. für Abstimmungen, kollaboratives Arbeiten, Wissensaustausch und Dokumentation) durchgeführt werden. Dazu gibt es innerhalb des Ablaufplans jeweils Hinweise unter dem Stichwort digitale Variante. Weiterführende Informationen zu den Tools finden Sie im Service-Bereich.

Empfohlen wird ein Mix aus analogen und digitalen Methoden, sodass methodische Abwechslung entsteht. Eine digitale Dokumentation der Arbeitsergebnisse ist insbesondere dann besonders hilfreich, wenn im Nachgang dieselben oder andere Teilnehmer_innen noch weiter an den Ergebnissen arbeiten sollen oder eine Veröffentlichung der Ergebnisse geplant ist.

Analoge Ausstattung

  • Flipchart/Pinnwand
  • Stifte
  • Klebezettel

Digitale Ausstattung

  • Internetverbindung
  • Beamer/digitales Anzeigegerät
  • Lautsprecher
  • Digitale Endgeräte

Optional zur Ergebnissicherung:

  • Kamera oder Smartphone
  • Stativ
  • Ggf. Mikrofone

Online-Tools

Quellen

[1] Vgl. Amadeu Antonio Stiftung: Verschwörungstheorie, Verschwörungsmythos, Verschwörungserzählung?, 14.05.2020, URL: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/verschwoerungstheorie-verschwoerungsmythos-verschwoerungserzaehlung-57919/ [eingesehen am 20.09.2021].

[2] Vgl. Butter, Michael: „Bildung ist der Schlüssel“, in: Berghof Foundation Operations gGmbH (Hrsg.): Zum kritischen Umgang mit Verschwörungstheorien: Erkenntnisse für die pädagogische Praxis, Berlin 2021, S. 11–18.

[3] Vgl. Lamberty, Pia: Zwischen Theorie und Mythen: eine kurze begriffliche Einordnung, 11.11.2020, URL: https://www.bpb.de/izpb/318159/zwischen-theorien-und-mythen-eine-kurze-begriffliche-einordnung [eingesehen am 20.09.2021]; Amadeu Antonio Stiftung: Verschwörungstheorie, Verschwörungsmythos, Verschwörungserzählung?, 14.05.2020, URL: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/verschwoerungstheorie-verschwoerungsmythos-verschwoerungserzaehlung-57919/ [eingesehen am 20.09.2021].

[4] Vgl. Hendricks, Vincent F./Vestergaard, Mads: Postfaktisch. Die neue Wirklichkeit in Zeiten von Bullshit, Fake News und Verschwörungstheorien, München 2018, S. 32.

[5] Vgl. Materna, Georg/Müller, Raphaela/Wörz, Fabian: Alter Wein in neuen Schläuchen? Verschwörungserzählungen und Soziale Medien, in: Berghof Foundation Operations gGmbH (Hrsg.): Zum kritischen Umgang mit Verschwörungstheorien: Erkenntnisse für die pädagogische Praxis, Berlin 2021, S. 30–37.

[6] Vgl. Muth, Max: Warum Verschwörungstheorien nicht tot zu kriegen sind, 06.06.2018, URL: bpb: https://www.bpb.de/lernen/projekte/wahre-welle/270406/warum-verschwoerungstheorien-nicht-tot-zu-kriegen-sind [eingesehen am 20.09.2021].

[7] Vgl. Butter, Michael: „Bildung ist der Schlüssel“, in: Berghof Foundation Operations gGmbH (Hrsg.): Zum kritischen Umgang mit Verschwörungstheorien: Erkenntnisse für die pädagogische Praxis, Berlin 2021, S. 11–18.