Fake News und Verschwörungserzählungen

Funktion und Wirkung von gezielter Desinformation erkennen und handeln

Fake News und Verschwörungserzählungen sind mitunter so deutlich als solche zu erkennen, dass sie nicht zu übersehen sind. Dann wieder treten sie ganz unterschwellig auf, in einem Nebensatz oder einer beiläufigen Formulierung. Mal sind sie in Worte gefasst, mal kommen sie als Bilder oder Memes daher. Verschwörungserzählungen und Fake News können einem auf unterschiedlichen Wegen und in den verschiedensten Formen begegnen – und zwar immer dann, wenn kommuniziert wird, egal ob analog oder digital. Das Internet und die Sozialen Medien wirken häufig als Katalysatoren, da Aussagen hier oft unwidersprochen stehenbleiben und mit wenigen Klicks schnell eine große Verbreitung finden. Dennoch waren Fake News und Verschwörungserzählungen nie ein reines Phänomen der digitalen Räume. Sie werden auch von Parteien, Politiker_innen und politischen Akteur_innen aktiv als Mittel genutzt, um für sich Politik zu machen. Das beste Beispiel dafür bietet der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Er bewegt sich nicht nur in seinen Wahlkämpfen zwischen Fake News und Verschwörungserzählungen, sondern nutzte auch sein Amt als Präsident, um damit gezielt Stimmung gegen politische Gegner_innen zu machen oder seine Politik – etwa im Rahmen der Coronapandemie – und seinen Machtanspruch zu rechtfertigen. Aber auch hierzulande spielen Fake News und Verschwörungserzählungen eine große Rolle – sei es in Wahlkampagnen, in den Sozialen Medien oder im persönlichen Umfeld. 

Warum sind Fake News und Verschwörungserzählungen ein Problem für Demokratie und Gesellschaft?

Lügen und Falschinformationen über politische Akteur_innen oder Institutionen untergraben notwendigerweise die Vertrauensbasis der Demokratie und führen zu einer Polarisierung der Gesellschaft sowie zur Stärkung von Freund-Feind-Schemata. Dass auch Parteien und andere politische Akteur_innen selbst Fake News und Verschwörungserzählungen für sich nutzbar machen und in die Parlamente tragen, darüber mitunter auch undemokratische Entscheidungen rechtfertigen und Einfluss auf die politischen und parlamentarischen Prozesse nehmen, stellt eine massive Herausforderung für die Demokratie dar.

Der Glaube an Verschwörungserzählungen stellt allgemein einen Radikalisierungsbeschleuniger dar.[1] So beriefen sich etwa die Attentäter von Halle und Hanau sowie von Christchurch auf Verschwörungsnarrative und Fake News. Durch Parteien, aber auch durch öffentliche Einzelpersonen – wie etwa den Sänger Xavier Naidoo, den ehemaligen Radiomoderator Ken Jebsen oder den Koch und Autor Attila Hildmann – und nicht zuletzt durch das Internet und die Sozialen Medien sind Verschwörungserzählungen und Fake News in der Mitte der Gesellschaft angekommen und salonfähig geworden. Im digitalen Raum und vor allem in den Sozialen Medien entfällt oftmals die redaktionelle Gatekeeperfunktion der klassischen Medien, sprich die Überprüfung des Wahrheitsgehalts hinter den jeweiligen Meldungen und eine damit einhergehende Selektion. Je mehr Informationen über das Internet und Soziale Medien konsumiert werden, desto wahrscheinlicher ist es, hier auf Fake News und Verschwörungserzählungen zu treffen.

Verschwörungserzählungen und Fake News können somit einerseits verbindend wirken – zum einen zwischen Akteur_innen unterschiedlicher politischer Spektren, die bestimmte Erzählungen und Falschmeldungen teilen, zum Beispiel beim Thema Impfen, zum anderen zwischen jenen, die sie verbreiten, und jenen, die sie konsumieren – und darüber ein kurzweiliges Gemeinschaftsgefühl zwischen diesen Personen erzeugen; etwa, weil sie das Gefühl teilen, dass sie über exklusives Wissen verfügen und sich vom Rest der Gesellschaft abheben.

Andererseits bergen Fake News und Verschwörungserzählungen ein hohes gesellschaftliches Spaltungspotenzial, denn sie beinhalten häufig rassistische und antisemitische Narrative und werden als Legitimation für politisch fragwürdige und teils undemokratische Entscheidungen genutzt. Sie führen zu einer steigenden Polarisierung sowie zu Hass und Hetze, insbesondere gegenüber Minderheiten. Die jüngste Geschichte zeigt, dass Verschwörungserzählungen in Gewalt münden können,[2] wie etwa bei den Anschlägen von Halle und Hanau. Die Grenzen des Sagbaren verschieben sich und rassistische sowie antisemitische Äußerungen werden unter dem Deckmantel des demokratischen Grundrechts der Meinungsfreiheit salonfähig. Fake News und Verschwörungserzählungen untergraben durch ihren manipulativen Charakter das Vertrauen der Bürger_innen in den Staat sowie die Demokratie und fördern so Politikverdrossenheit.[3]

Wann treten Fake News und Verschwörungserzählungen auf?

Gerade in Krisenzeiten häufen sich Verschwörungserzählungen und Fake News. Durch Krisen entsteht ein erhöhter Deutungsbedarf. Die Menschen suchen nach Antworten und klar benennbaren Schuldigen, um dem Gefühl des Kontrollverlusts entgegenzuwirken. Während die Wissenschaft Zeit braucht, um Sachverhalte darstellen und analysieren und schließlich Handlungsempfehlungen geben zu können – wie zum Beispiel zu Beginn der Coronapandemie, als es noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Virus gab –, liefern Verschwörungserzählungen und Fake News schnelle und einfache Lösungen für komplexe Problemlagen. Gerade dann, wenn eine Verschwörungserzählung dem eigenen Weltbild entspricht, ist die Anfälligkeit, diesem Deutungsangebot anheimzufallen, am größten.[4] So wurden beispielsweise bereits im 14. Jahrhundert im Zuge der Ausbreitung der Pest in Europa antisemitische Verschwörungen zur „Erklärung“ der grassierenden Epidemie herangezogen.

Wodurch unterscheiden sich Fake News und Verschwörungserzählungen?

Fake News und Verschwörungserzählungen sind verschiedene Formen von Desinformation, die jedoch nicht immer scharf voneinander zu trennen sind. Beide werden gezielt eingesetzt, um Handlungen oder Entscheidungen zu erklären, zu legitimieren oder einzuordnen.

Die Differenzen sind minimal und dennoch von großer Bedeutung. Die Unterscheidung zwischen Verschwörungserzählung und Fake News basiert vornehmlich auf dem Wahrheitsanspruch der jeweiligen Aussage. Den Verbreitenden von Fake News geht es hauptsächlich um Desinformation und Verleumdung. Dahinter verbirgt sich oftmals ein politisches, wirtschaftliches oder individuelles Ziel, welches durch die Streuung der jeweiligen Fake News erreicht werden soll. Die meisten Verschwörungserzählenden hingegen gehen davon aus, dass sie über Exklusivwissen verfügen und die eine, „wirklich wahre Wahrheit“ erzählen.[5] In ihrer Selbstwahrnehmung sind sie wissend und wollen ihr Wissen weitertragen.

Davon zu unterscheiden sind jedoch falsch interpretierte Inhalte, Fehler in der Berichterstattung oder die Unwissenheit einer Person: Nicht jede Unwahrheit ist sogleich eine Verschwörungserzählung oder Fake News. Während Fake News beispielsweise mit einer bestimmten Absicht verbreitet werden, geht diese Motivation den schlichten Falschmeldungen ab. Auch Satire sollte nicht in denselben Topf geworfen werden, da hinter dieser die Kunst der Übertreibung oder Überspitzung steckt – und damit eine wiederum gänzlich andere Motivation. 

Die Unterscheidung ist also schwierig – aber wichtig. Ohne diese Differenzierungen droht die Aushöhlung der jeweiligen Begriffe und somit eine Verharmlosung. Würden alle falschen Meldungen, Erzählungen oder Geschichten als Verschwörungserzählung oder Fake News einsortiert, nähme dies der Einordnung und Benennung ebendieser die Schlagkraft und Aussagefähigkeit. Erst ein tiefergehendes Verständnis des Phänomens der Fake News und Verschwörungserzählungen lässt die damit einhergehenden Gefahren für die Gesellschaft und Demokratie erkennen.

Wie kann Fake News und Verschwörungserzählungen begegnet werden?

Fake News und Verschwörungserzählungen zu begegnen, ist kein leichtes Unterfangen und hängt stark vom jeweiligen Kontext ab: Wer äußert sich wo? Wie wird sich geäußert und was wird geäußert? Hier offenbart sich bereits die erste wegweisende Hürde – denn Fake News oder Verschwörungserzählungen zu identifizieren, erfordert Wissen über sie sowie ein Bewusstsein für ihre Existenz und die dahintersteckende Problematik. Nicht nur Faktenwissen ist gefragt, sondern auch ein Gespür für die Wortwahl des Gegenübers. 

Ist diese erste Hürde genommen, heißt es, aktiv zu werden. Im Rahmen von Fake News bedeutet dies: Quellen überprüfen. Woher stammt die jeweilige Information und ist die Quelle vertrauenswürdig? Wurde die Meldung von mehreren Quellen veröffentlicht (Zwei-Quellen-Prinzip)? Dies erfordert eine Medienkompetenz, die trainiert werden kann. Bei Unsicherheit lohnt sich die Recherche – findet sich irgendwo ein Widerspruch?

Sowohl bei Fake News als auch bei Verschwörungserzählungen ist vor allem wichtig, dass die jeweilige Aussage nicht unwidersprochen im Raum stehenbleibt. Zudem gilt es, Haltung zu zeigen – auch wenn dies auf einer Familienfeier oder im engen Freundeskreis schwerfällt und an der Supermarktkasse einigen Mut braucht. Dabei geht es nicht darum, das Gegenüber bloßzustellen oder zu belehren; vielmehr geht es darum, Widersprüche und Falschaussagen aufzudecken. Helfen können positive Gegenerzählungen, die zur kritischen Auseinandersetzung und Neubetrachtung der Thematik einladen. Fragen zu stellen und das Gegenüber zum Nachdenken und Reflektieren zu ermuntern, ist zudem meist gewinnbringender, als mit Fakten dagegenzuhalten. Die Form dieses anzustrebenden Dialogs kann indes variieren: Eine Unterhaltung im Familienkreis verläuft anders als am Arbeitsplatz oder in den Sozialen Netzwerken – entsprechend bedarf es stets einer gewissen Sensibilität für die konkrete Situation, um den angemessenen Duktus und Umgang zu finden.

Nie jedoch sollten politische und gesellschaftliche Akteur_innen, die Fake News und Verschwörungserzählungen verbreiten und nutzen, belächelt oder als nebensächlich abgetan werden. Ihre Handlungen und Aussagen gefährden die Demokratie sowie die dahinterstehenden demokratischen Prozesse und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie bedrohen zudem gesellschaftliche Gruppen sowie Individuen, wie die oben genannten Beispiele vor Augen führen. Ihre Worte und Aussagen beeinflussen zudem Handeln und Denken vieler weiterer Personen und somit die Gesellschaft und Politik, was wiederum alle betrifft – also auch Sie und Dich.

 

Podcast Tagesschau-Faktenfinder: Wie erkenne ich Fake News?  

Die Forscherin Pia Lamberty warnt im faktenfinder-Podcast, die ältere Generation werde übersehen, wenn es um die Bekämpfung von Fake News geht. Im Gespräch mit Anja Reschke erklärt sie, wie gezielte Falschmeldungen zu erkennen sind. 

Urheber: ARD Tagesschau; Lizenz: CC BY-NC-ND

Die Thematisierung von Fake News und Verschwörungserzählungen ist im Rahmen von demokratischen Gesellschaften und der politischen Bildung demnach unausweichlich, gar notwendig. Denn durch Wissen über diese beiden Phänomene, ihre Struktur, ihren Aufbau und ihre Funktionsweise kann ihnen adäquat begegnet und entgegengewirkt werden. Dabei unterstützen die beiden Workshopkonzepte.

Öffnet den Baustein "Fake News". Beschreibung: Bild in schwarz und weiß mit eingefügten bunten Gestaltungselementen. Man sieht vier Würfel mit vier Buchstaben. Die letzten beiden Würfel werden von einer Hand weitergedreht. Man kann die Worte Fake und Fact lesen. Bild: iStock / http://www.fotogestoeber.de

Fake News

Was sind eigentlich Fake News und wie kann man sie erkennen? Was Unterscheidet sie von echten Nachrichten? Worin liegen die Herausforderungen für ein demokratisches Miteinander?

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Öffnet den Baustein "Verschwörungserzählungen". Beschreibung: Bild in schwarz und weiß mit eingefügten bunten Gestaltungselementen. Man sieht Personen die auf einem Bürgersteig laufen von oben und als ob man durch Wasser blicke würde. Bild: iStock / Niall_Majury

Verschwörungserzählungen

Wie kann man eine Verschwörungserzählung identifizieren? Wieso spricht man besser von Verschwörungserzählungen statt von Verschwörungstheorien? Was kann man Verschwörungserzählungen entgegensetzen?

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Quellen

[1] Vgl. Röther, Christian: Proteste gegen Corona-Maßnahmen. Warum Verschwörungsideologien die Demokratie gefährden, in: Deutschlandfunk, 24.08.2020, URL: https://www.deutschlandfunk.de/proteste-gegen-corona-massnahmen-warum.724.de.html?dram:article_id=482935[eingesehen am 06.07.2021].

[2] Vgl. Lamberty, Pia: Politisches Handeln und Verschwörungserzählungen: Ist doch alles ganz harmlos?, in: bpb.de – Info aktuell, 11.11.2020, URL: https://www.bpb.de/izpb/318707/politisches-handeln-und-verschwoerungserzaehlungen [eingesehen am 13.07.2021].

[3] Vgl. Przybilla-Voß, Marika: Fake News – eine Gefahr für die Demokratie?, in: Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, URL: https://demokratie.niedersachsen.de/startseite/themen/digitalisierung/fake_news/fake-news-eine-gefahr-fuer-die-demokratie-167063.html[eingesehen am 06.07.2021].

[4] Vgl. Nocun, Katharina/Lamberty, Pia: Fake Facts: Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, Köln 2020.

[5] Vgl. Butter, Michael: „Bildung ist der Schlüssel“, in: Berghof Foundation Operations gGmbH (Hrsg.): Zum kritischen Umgang mit Verschwörungstheorien: Erkenntnisse für die pädagogische Praxis, Berlin 2021, S. 11–18.