Gaming
MEDIENKOMPETENZ BEDEUTET AUCH KONSTRUKTIVEN UMGANG MIT VIDEOSPIELEN
Die Inhalte dieser Seite sind entstanden in Zusammenarbeit mit:
LAG Jugend & Film Niedersachsen e. V.
Gaming und Spielekultur verstehen und nutzen
Die einen kennen sie noch als bunten Pixelspaß aus der eigenen Kindheit und Jugend, für die anderen – vor allem für Eltern und Lehrer_innen – sind sie häufig ein Reizthema, wenn Kinder und Jugendliche lieber in digitale Welten abtauchen, als sich für Hausaufgaben oder vermeintlich reale Unternehmungen zu begeistern: Die Rede ist von Computer- und Videospielen.
Games sind längst fester Bestandteil der Jugendkultur
Dabei sind digitale Games längst kein Nischenhobby mehr. 23 Prozent der 6- bis 13-Jährigen beschäftigen sich jeden oder fast jeden Tag mit digitalen Spielen, weitere 37 Prozent tun dies ein- oder mehrmals die Woche:[1] Bei den Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren sind es 73 Prozent, die täglich oder zumindest mehrmals pro Woche digital spielen.[2]
Diese Zahlen belegen die bedeutungsvolle Rolle, die Games im Alltag von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einnehmen. Doch auch über diese junge Zielgruppe hinaus ist Gaming, in nahezu jeder Altersschicht und unabhängig vom Geschlecht, längst ein wichtiger Bestandteil der Freizeitgestaltung unserer Gesellschaft. Laut Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung ist „der durchschnittliche deutsche Gamer“ etwa 36 Jahre alt und in 47 von 100 Fällen eine Gamerin.[3] Und Games wie Minecraft, Fortnite oder Pokémon Go sind längst massenkulturelle Phänomene, die einem auch in anderen Mediensparten begegnen.
Warum Gaming Schule machen sollte
All das ist Grund genug, sich mit digitalen Games zu befassen. Aber der Einstieg fällt vielen schwer: Zu hoch erscheint die Schwelle, sich selbst am Gamepad zu versuchen, zu verwirrend und unübersichtlich wirkt die Gaming-Szene und zu negativ klingt das, was z.B. unter dem Stichwort Killerspiele immer mal wieder in die breitere Öffentlichkeit dringt. Dennoch ist es, gerade für Pädagog_innen aller Fachrichtungen und für Multiplikator_innen, heute ebenso wichtig wie lohnend, sich mit digitalen Games zu beschäftigen:
- Weil sie bereits eine eigene Jugend- und Subkultur bilden (Medienformate, Leistungssportambitionen und Fankulturen).
- Weil sie für viele junge Menschen Begegnungs- und Sozialraum, Hobby und Leidenschaft sind.
- Weil sie eine kritische Medienkompetenz im Umgang erfordern, die nur entstehen kann, wenn man Games zum Thema macht.
- Weil sie eine offene Bühne sind, ein Werkzeug, um Geschichten zu erzählen, Projekte zu verwirklichen und sich kreativ zu betätigen.
Digitale Games erfüllen für die Spielenden dabei ganz verschiedene Funktionen:
- Digitale Games sind kreative, vielgestaltige Welten, die die Spielenden nach eigenem Belieben auswählen und nach Wunsch besuchen können.
- Digitale Games sind Räume, in denen man sich begegnen, miteinander kommunizieren und mit- oder gegeneinander spielen kann.
- Digitale Games ermöglichen Erfolgserlebnisse, weil sie mit klaren Regeln und Logikabfolgen eigenen (Spiel-)Erfolg erreichbar machen. Das macht sie gerade auch dann besonders verführerisch, wenn Erfolg in anderen Lebensbereichen fehlt.
- Gleichzeitig kann in digitalen Games auch trainiert werden, mit Misserfolgen konstruktiv umzugehen und auch bei Rückschlägen nicht aufzugeben.
Gaming: Politische Spiele?
Games können auch politisch sein. Das beginnt bei der Gestaltung der Spielewelten – also das, was in Games zu sehen und zu tun ist. Die Gestaltung dieser Spielewelten kann demzufolge (gesellschafts-)politische Implikationen haben: Die in Games dargestellten Welten können ein Abbild der echten Welt sein – oder ein Zerrbild, ein ironischer Spiegel oder ein Kommentar. Das gilt jedoch längst nicht für alle Games. Wie die Bilder, die wir sehen, und die Welten, die wir in Games durchwandern, aber zustande kommen, das verdient ebenso eine kritische Betrachtung wie jedes andere Medium auch – ob nun Gedicht, Hörbuch, Film oder Zeitungsartikel.
Auch die Bedingungen, zu denen digitale Games heute produziert werden, haben eine politische Bedeutung: Die Games-Branche ist eine riesige Industrie, erfolgreiche Titel verkaufen sich viele Millionen Mal und verfügen über dreistellige Millionenbudgets. Welche Arbeitsbedingungen aber herrschen in dieser Industrie? Wer erhält hier eine Stimme und wer nicht? Und inwiefern stehen die Produktionsmittel, eigene Games zu entwickeln, heute frei zur Verfügung? Kurz gesagt: Sich kritisch und reflektiert mit digitalen Games zu befassen, bedeutet auch, sich die Bedingungen ihres Zustandekommens zu vergegenwärtigen.
Medienkompetenze ermöglichet einen kritischen und reflektierten Umgang mit Games
Insbesondere die Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen wächst zu einem großen Teil mit digitalen Spielen auf. Sie nutzt sie in verschiedenen Kontexten, drückt sich über sie aus und wird durch ihre Inhalte geprägt. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Spielenden über Medienkompetenz in diesem Bereich verfügen. Denn auch im vermeintlich interaktiven Spiel können sie schnell zu passiven Konsument_innen der vorgegebenen Handlungslogik und zu Objekten von Verhaltensbeeinflussung werden. Durch die Stärkung von Medienkompetenz können sie hingegen dazu befähigt werden, zu verstehen, dass Games ein bewusst gestaltetes Medium sind. Dass also mechanische und erzählerische Entscheidungen hinter dem stecken, was sich auf dem Bildschirm abspielt. Diese Entscheidungen können auch getroffen sein, um Botschaften zu vermitteln, Weltbilder zu transportieren (und zu stützen) – oder ganz einfach, um den erwarteten wirtschaftlichen Erfolg des Spiels in einer bestimmten Zielgruppe zu maximieren.
Medienkompetenz ermöglicht hier, hinter die Spielmechanismen zu schauen, die vermittelten Inhalte und Werte kritisch zu reflektieren und das eigene Spielverhalten selbstbestimmt zu steuern. Ferner können die Nutzenden dazu in die Lage versetzt werden, Spiele zu identifizieren, die für sie einen Mehrwert über die reine Unterhaltung hinaus bieten. Insbesondere die politische Bildung kann in Kombination mit spielerischen Elementen einen solchen Mehrwert bieten. Zu guter Letzt können Kinder und Jugendliche erfahren, dass Games auch ein gestaltbares Medium sind, das sie selbst beeinflussen und (um-)gestalten können. Medienkompetenz bezüglich der eigenen Herstellung von digitalen Spielen eröffnet der Zielgruppe eine weitere Möglichkeit, sich kreativ mit politischen Fragestellungen auseinanderzusetzen und andere dafür zu gewinnen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. All das schmälert nicht etwa den Spaß am Spiel – es kann ihn vielmehr noch erhöhen, denn die Spielenden blicken so bewusster auf die digitalen Welten, in denen sie sich bewegen. Gleichzeitig erwerben sie vielleicht sogar die Fähigkeit, eigene Welten zu gestalten. Aus all diesen Gründen lohnt es sich, digitale Games zum Thema zu machen – und zum Werkzeug, mit dem eigene Geschichten erzählt und eigene Standpunkte vertreten werden können.
Im Fokus: Games als Werkzeug und Rollenbilder
In diesem Schwerpunktthema werden zwei thematische Bausteine herausgegriffen, die eine reflektierte Befassung mit dem Medium Games anstoßen sollen:
- Im ersten Themenbaustein geht es um die Nutzung von Games als Werkzeug. Digitale Spiele oder Spielprinzipien werden in unterschiedlichster Form genutzt, auch außerhalb klassischer Spielekontexte, zum Beispiel um Verhaltensveränderungen zu bewirken, Lernprozesse motivierender zu gestalten oder Produktivität zu steigern. Der Einsatz reicht dabei von Gamification, also der Nutzung von Spielmechanismen zum Beispiel als motivierender Anreiz in Fitness- oder Lern-Apps, bis zu Serious Games.
- Im zweiten Themenbaustein werden die Rollenbilder in digitalen Games unter die Lupe genommen. Wie auch in anderen gesellschaftlichen Räumen gibt es auch hier impliziten und expliziten Sexismus, Rassismus und andere Arten von Diskriminierung. Im Workshop soll daher der Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit stereotypen Darstellungen von Frauen sowie BIPoC in Games erfolgen.
Quellen
[1] mpfs: KIM-Studie 2018. Kindheit, Internet, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger, 2019, S. 19 (zuletzt geöffnet am 26.08.2020).
[2] mpfs: JIM-Studie 2019. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger, 2020, S. 44 (zuletzt geöffnet am 26.08.2020).
[3] Piepenbrink, Johannes: Editorial, in: bpb (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. Gaming, H. 31–32, Jg. 69 (2019), 29.07.2019, S. 3 (zuletzt geöffnet am 26.08.2020).